In diesem Herbst feiern die drei Gymnasien in Trägerschaft der Edith-Stein-Schulstiftung ihr 25-jähriges Bestehen. Den Auftakt machte Ende August das Norbertus-Gymnasium in Magdeburg. Ein Gespräch mit Stiftungsdirektor Steffen Lipowski.
|
Das Foto zeigt Schüler, Lehrer und ihren Schulleiter Reimund Märkisch vor dem Festgottesdienst im Elbauenpark in Magdeburg. Fotos: E. Pohl |
Herr Lipowski, 25 Jahre Gymnasien in katholischer Trägerschaft im Bistum – das ist doch eine Erfolgsgeschichte?
Ohne Zweifel. Aber 25 Jahre allgemeinbildendes katholisches Schulwesen in einem säkularen Umfeld sind auch eine Herausforderung. Wir haben in dieser Zeit rund 5000 Abiturienten verabschiedet, 1500 Grundschüler in weiterführende Schulen entlassen und 150 Jungen und Mädchen beim erfolgreichen Abschluss der Sekundarschule begleitet. Die Zahl der Bewerber um einen Schulplatz liegt in den meisten unserer ja insgesamt acht Schulen weit über den zur Verfügung stehenden Plätzen. In den drei Gymnasien, vier Grundschulen und einer Sekundarschule lernen derzeit rund 3200 Schüler. Sie werden von 280 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet.
Eine der wesentlichen Herausforderungen in den Gymnasien in Magdeburg, Dessau und Halle besteht sicher darin, dem Schulalltag in einem tief säkularen Umfeld ein christliches Profil zu geben ...
Das ist eigentlich die Kernfrage, die Frage nach der Identität und Offenheit katholischer Schulen in einer zunehmend säkular geprägten Gesellschaft. Diese Spannung lässt sich nur aushalten, wenn wir den Menschen in unseren Schulen konsequent dialogisch begegnen, mit eigener Klarheit, auf Augenhöhe und nicht vereinnahmend.
Was heißt das?
Ein gutes Drittel unserer Schüler gehört keiner Kirche an beziehungsweise hat bisher kaum religiöse Erfahrungen sammeln können. Bei allem Wissen über die Welt und den Erkenntnissen der Wirklichkeit gibt es auch eine religiöse Dimension. Diesen Weltzugang wollen wir bei unseren Kindern und Jugendlichen offen halten. Deshalb erhalten sie an unseren Schulen Möglichkeiten, dem in Jesus Christus geoffenbarten Gott zu „begegnen“. Die Menschen in unseren Schulgemeinschaften, ob Schüler, Eltern oder Lehrer, sollen spüren, dass wir sie als geliebte Geschöpfe und Ebenbilder Gottes wertschätzen. Und deshalb stehen sie im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit und erleben so praktizierte Nächstenliebe. Dafür stehen unsere Schulen mit ihren acht standort- und schulformspezifischen Schulprogrammen.
Wie sieht das konkret aus?
|
Zahlreiche Eltern melden ihre Kinder an unseren Schulen mit der Absicht an, dass sie bei uns vom christlichen Glauben hören und christliche Werte vermittelt bekommen, die einen, weil sie selbst christlich sozialisiert sind, die anderen, obwohl selbst keine Christen, dies aber für ihre Kinder wünschen. Das ermöglichen wir zum Beispiel durch die Wahl zwischen katholischem und evangelischem Religions- sowie dem Ethikunterricht. Ein konkretes Beispiel: In den ersten Jahren haben wir an unseren Gymnasien nichtgetaufte Schüler automatisch dem Ethik-Unterricht zugeordnet. Das tun wir nicht mehr. Da an unseren Gymnasien viele Schüler von unseren Grundschulen mit katholischem Religionsunterricht oder von anderen christlichen Grundschulen kommen, erhalten sie die Gelegenheit, weiterhin den Religionsunterricht zu besuchen. Diese Chance nutzen mittlerweile viele ungetaufte Schüler. In den 5./6. Klassen ermöglichen wir allen Schülern eine Begegnung mit dem Christentum, in den 7./8./9. Klassen wird dies in Fächer kooperierenden Projekten zu ausgewählten Themen sichergestellt. Im Schulalltag spielen Sinnfragen immer dann eine besondere Rolle, wenn es um Grundfragen der menschlichen Existenz geht. Wenn Schüler etwa persönlich Tod und Sterben begegnen, nehmen sich unsere Schulseelsorger, Sozialarbeiter und Lehrer viel Zeit, dies mit ihnen zu verarbeiten, auf Fragen aus christlicher Perspektive Antworten anzubieten und Lebenshoffnung zu vermitteln. An diesen Stellen haben mir bereits viele Eltern rückgemeldet, dass sie spüren, dass wir es ernst meinen mit unserem christlichen Angebot und wirklich Schule „um der Menschen willen“ machen. |
Welche Rolle spielt das Kirchenjahr im Schulalltag?
In unseren Grundschulen und der Sekundarschule, die nach der Marchtaler Pädagogik arbeiten, ist das Kirchenjahr sozusagen im pädagogischen Konzept verortet. In den Gymnasien haben die Angebote einen eher einladenden Charakter, verfolgen den schon beschriebenen dialogischen Ansatz. Wir wollen den Schülern in der stark weltanschauungs- und religionsdifferenzierten Welt helfen, ihren eigenen, bewusst reflektierten Weg zu finden. Ich denke da an die Andachten in der Adventszeit und die thematischen Gottesdienste im Jahreskreis, zum Beispiel am Beginn der Fastenzeit.
Was läuft vielleicht auch nicht so gut im Blick auf das Profil?
Wir müssen zum Beispiel daran arbeiten, uns noch besser mit den Pfarreien vor Ort zu vernetzen. Es geht letztlich um den effektiven Einsatz der uns für die Pastoral zur Verfügung stehenden Ressourcen. Etwa, wenn es darum geht, Familien zu begleiten. Wir merken, dass es immer mehr Familien gibt, die Hilfe im Blick auf die Erziehung ihrer Kinder brauchen. In manchen unserer Schulen bieten wir deshalb – auch in Kooperation mit den Gemeinden – Kess erziehen-Kurse an, ein Angebot der Arbeitsgemeinschaft für Katholische Familienbildung (AKF) und des Bistums. In unseren Schulen kommen Eltern nicht selten zum ersten Mal mit Kirche und Glauben in Kontakt. Das sind Möglichkeiten, die wir als Kirche noch nicht ausreichend nutzen.
Derzeit sind wir dabei, für die Schulstiftung ein neues schulpastorales Konzept zu entwickeln, also nachzujustieren, wo und wie wir missionarisch wirken wollen und können. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Bedürfnisse der Menschen in den zurückliegenden 25 Jahren verändert haben. Wir beobachten, dass immer mehr Schüler danach fragen, was das Leben lebenswert macht und wofür es sich lohnt einzustehen. In einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft machen immer mehr Menschen einen eher entwurzelten Eindruck. Wir sind überzeugt, dass unser Glaube da ein Angebot ist, auch wenn wir als Christen selbstverständlich nicht auf alle Fragen eine Antwort haben. Der Gründungsbischof unserer Schulen, Emeritus Leo Nowak hat es so formuliert: „Letztlich ist es die Liebe, die uns trägt, eine Kraft, die verbindet und auch stärkt.“
Ist es schwierig, in der säkular geprägten Gesellschaft dafür geeignete Lehrer zu finden?
Vor dem Hintergrund der weiter zunehmenden Lehrerknappheit in Sachsen-Anhalt ist das durchaus schwierig. Hinzu kommt, dass angestellte Lehrer bei uns im Vergleich zu verbeamteten Pädagogen beim Land weniger verdienen. Andererseits herrscht in unseren Einrichtungen eine Schulkultur, die doch immer wieder Pädagogen motiviert, zu uns zu kommen.
Bei Gründung der Schulen sollte vielen Kindern Bildung im Sinne des christlichen Menschenbildes ermöglicht werden. Haben auch Kinder ärmerer Eltern eine Chance? Gibt es da belastbare Zahlen?
Wir setzen zirka 300 000 Euro pro Jahr ein, um sozial schwächeren Familien durch ein ermäßigtes Schulgeld den Besuch unserer Schulen zu ermöglichen. Der Mindestbeitrag beträgt fünf Euro im Monat. Bis 2005 gab es an den Gymnasien aufgrund der bis dahin angemessenen Landesförderung kein Schulgeld. Nach der Reduzierung der Landesmittel musste das Schulgeld eingeführt, zuletzt im März 2016 um monatlich 20 Euro erhöht werden. Dennoch möchte ich Familien ermutigen, ihre Kinder an den Schulen des Bistums anzumelden. Die Schulgeldordnung ermöglicht es jeder Familie, ihre Kinder in eine unserer Schulen zu geben. Teilweise statten die Fördervereine die Schulleiter mit zusätzlichen Sozialfonds aus, um Familien jenseits des Schulgeldes, was ja direkt an die Edith-Stein-Schulstiftung zu entrichten ist, im Sinne ihrer Kinder finanziell unter die Arme greifen zu können.
Welche Zukunftspläne verfolgt die Schulstiftung?
Am Schulzentrum in Halle benötigen wir dringend für die drei Schulen neben der vorhandenen Dreifeldsporthalle des Elisabeth-Gymnasiums noch eine Einfeldsporthalle gemeinsam für die St. Franziskus-Grundschule und die St. Mauritius-Sekundarschule. Da die Sekundarschule zurzeit noch in einer alten DDR-Plattenbauschule untergebracht ist, wird dafür mittelfristig ein Neubau erforderlich werden.
Sie haben unlängst das Land aufgefordert, die Arbeit der freien Schulen in Sachsen-Anhalt finanziell stärker zu unterstützen, da den Schulen sonst mittelfristig das Aus drohe.
Wir haben pro Jahr pro Schüler ein Defizit von zirka 1200 Euro zu verkraften. Bisher wurde dieser Fehlbetrag aus Mitteln der Edith-Stein-Schulstiftung aufgebracht. In Zeiten einer Niedrigzinsphase können wir dies auf Dauer nicht leisten, da mit dem Stiftungsvermögen derzeit kaum Erträge zu erwirtschaften sind. In Sachsen-Anhalt sind bei der Refinanzierung der Schulen in freier Trägerschaft keine Abschreibungen und Rückstellungen für Gebäudekosten berücksichtigt. Die ersten Gebäude unserer Stiftung sind inzwischen 25 Jahre alt und benötigen größere Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen. Wenn aber keine Rückstellungen gebildet werden können, führt das zu einem nicht verantwortbaren Investitionsstau. Das macht uns große Sorgen. Zumal wir mit Blick auf unser Profil ohnehin schon Mehrkosten zum Beispiel für Schulseelsorger oder Sozialarbeiter zu tragen haben.
Das Statistische Bundesamt weist aus, dass Sachsen-Anhalt für Schüler an freien Schulen je nach Schulform zirka 1800 bis 3100 Euro weniger bereitstellt, als für die Schüler an den Schulen des Landes. Wir hoffen, dass der Landtag diesen Zustand bald beendet und die eklatante Unterfinanzierung der Schulen in freier Trägerschaft durch eine angemessene Refinanzierung ablöst. Die Edith-Stein-Schulstiftung hat dem Land zugesichert, dass das Bistum Magdeburg keine weiteren Schulgründungen plant. Wird in Kürze keine Verbesserung zu erwarten sein, müssen wir, schon um die Existenz unserer Schulen zu sichern, vor das Verwaltungsgericht ziehen und eine angemessene Refinanzierung einklagen.
Eckhard Pohl, Mit freundlicher Genehmigung der Kirchenzeitung Tag des Herrn. www.tag-des-herrn.de, Alle Rechte vorbehalten. © St. Benno-Verlag, Leipzig.